05.11.2010

Zweihunderttausend Yachten

...segeln in diesem Augenblick auf dem Atlantik um die Wette und vorn dabei auch ein Rostocker Boot! Unsere Position liegt ungefähr 500 Meilen östlich der Azoren. "Vorn dabei" heisst im Klartext: 1.385ster! Wir könnten noch viel weiter vorn sein, sind aber blöderweise gleich nach dem Start in Frankreich auf Grund gelaufen und haben dadurch wertvolle Zeit verschenkt. 


Um uns herum tatsächlich weit über 200.000 angemeldete Rennyachten mit Skippern aus der ganzen Welt, die meisten davon im Kielwasser (bis auf diese 1.384)!. Mit ihnen allen segeln wir seit vier Tagen um die Wette; einmal quer über den Atlantik bis nach Guadeloupe, einer Inselgruppe in der Karibik. Das Ganze für 20 EUR und ohne nass zu werden. "Armchair Sailing" oder besser virtuelles Segeln - ja, wir "zocken" uns gerade am Rechner einmal über den Ozean...




Die Regatta gibt's wirklich, sie heisst "Route du Rhum" und ist als eines der härtesten Einhandrennen (also 1 Mann, 1 Boot, 1 Ozean) ebenso berühmt wie berüchtigt. Da draußen segeln sie jetzt "in echt", der erste hat schon aufgeben müssen, weil sein extremer Trimaran den noch extremeren Belastungen nicht mehr standhalten konnte und nach einem Sprung aus der Welle einfach zerbrach. Der Mann wurde inzwischen abgeborgen und es geht ihm gut.

Wir dagegen teilen uns heute ein Boot zu dritt und wissen, dass wir in spätestens einer Woche im Ziel sind. Dann ist auch wieder gut, denn wir sind ja lernfähig. Noch vor zwei Jahren, beim ersten virtuellen Volvo Ocean Race waren wir jeder allein am Start, einhand also. Das ging damals über Wochen und nur solange gut, bis unsere Partnerinnen mit offener Meuterei drohten. Es war ja auch wirklich bisschen bekloppt, den Wecker in jeder Nacht auf um 4 zu stellen, bloß weil man dann in ein neues Windfenster fuhr. Neue Stärke, neue Richtung, neue Segel, neuer Kurs. Wer vorn sein will muss leiden und das ging damals wochenlang so. Bist Du mehr als zwei Stunden offline, fällst Du sofort zurück. Ein 1A Segeltamagotchi! Das gilt dann natürlich für Schwimmbadbesuche genau wie für Omma's 70sten oder Strandspaziergänge (typischer Anruf: "Könntest Du mal mein Boot..."). Vom besinnlichen Weihnachten im engstgen Familienkreis wollen wir mal gar nicht erst anfangen...

Jetzt teilen wir also den Aufwand durch drei, spielen bisschen mit Kurs und dem virtuellen Wind, grübeln anhand der Echtzeitwetterdaten nach der schnellsten Route zum Ziel (die nicht immer die kürzeste sein muss). Ab und zu wird zur "Ruder"-Übergabe telefoniert - die Partnerinnen schmunzeln (noch).

Einige der "echten" Boote heißen "Crêpes Whaou!" oder "Actual" und sind ganz in unserer Nähe. Immerhin halten wir uns ca. 200 Meilen vor Michel Desjoyeaux und seiner "Foncia", einem 20 Meter langen HiTech-Open-60. Das will was heißen, denn der Mann ist richtig gut. Wegen seines Wissens und seiner Perfektion nennen sie ihn in der Szene den "Professor". Er gewann das letzte "Vendée Globe" - das härteste Segel-Rennen überhaupt - sein Rekord liegt bei 84 Tagen: einhand - nonstop - rund um die Welt...!

Da liegen wir doch gar nicht mal sooo schlecht. Unter die ersten Tausend sollten wir es schon noch schaffen. Dazu heißt es jetzt aber dranbleiben! Die Nachtwachen sind jedenfalls schon mal eingeteilt...



1 Kommentar:

  1. Nachtrag zur Vollständigkeit: Nach 14 Tagen und 25 Minuten haben wir am gestrigen Sonntag als 1.299ster von knapp 250.000 virtuellen "Yachten" die Ziellinie in Pointe-à-Pitre in der Karibik erreicht.

    Immerhin waren wir damit fast 6 Stunden schneller als der "echte" Gewinner der Route du Rhum 2010 Roland "Bilou" Jourdain auf seinem "baugleichen" Open60 'Veolia Environnement'... ;-)

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